„Ich hatte genügend indische Philosophie studiert, um zu wissen, wie schwer es ist, sich von einer Illusion zu befreien, um aus einem Traum aufzuwachen. In den wenigen Augenblicken geistiger Klarheit wusste ich ganz genau, dass ich mich von meinen eigenen Traumvisionen hatte betören lassen. Ich hatte mich von Wunschvorstellungen bestricken lassen, und nun blieb mir nichts anderes übrig, als das von Maya gewebte Tuch zu zerreißen und wieder frei, heiter und unverletzbar zu werden. All das wusste ich seit langem, aber es fiel mir schwer zu erwachen…
Später wurde mir klar, wie eine beliebige Kleinigkeit, ein Ereignis ohne jede sichtbare Bedeutung, das Leben radikal verändern kann, indem es uns auf einen Weg drängt, der uns noch wenige Stunden vorher gleichgültig oder ganz unwahrscheinlich erschienen wäre…
Vergeblich versuchte ich, mich auszuruhen oder gar zu Bett zu gehen. Ich konnte nicht einschlafen. Ich war nicht erschöpft, fühlte mich nicht müde, nur dieses Gefühl von Unwiederbringlichkeit war da, das Gefühl, etwas Essentielles, Unersetzbares verloren und kein Lebensziel mehr zu haben. Bald aber entdeckte ich, dass meine Traurigkeit aus unzähligen, unvermuteten Quellen gespeist wurde – zum Beispiel aus dem Gefühl der Vergänglichkeit, aus der einfachen Tatsache, dass es Dinge gegeben hatte, die nicht mehr waren, die „vergangen“ waren.
Etwa eine halbe Stunde lag ich dann bewegungslos und konzentriert da, bis ich fühlte, dass ich mich ganz und gar in einer dieser alten oder außerirdischen Welten befand; ich begann dann, dort zu leben. Ich bewegte mich in einer Landschaft, die mir als einzige real erschien. Wenn ich mich nach solch einer „Geistesübung“ zu mir kam, war mir völlig gleichgültig, was mir etwa gestern passiert war oder was mir gerade bevor stand. Das hieß unter anderem, dass jedes längere Schweigen, jede aus Müdigkeit oder Unachtsamkeit geäußerte Banalität ein Zeichen der Gleichgültigkeit und Abwesenheit war und daher ausführlich interpretiert werden musste, um es zu begreifen, sich einzuprägen und zu guter Letzt zu korrigieren.“
schöner Text, danke! Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
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Eine alter Auszug ist es. Eliade war damals in Indien und verbrachte seine Zeit in einer dieser Yogi-Höhlen. Auch Dir liebe Grüße und ein angenehmes Wochenende!
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