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Posts Tagged ‘Zitat’

Ich denke an eine Begegnung, von der William Least Heat-Moon in seiner „Tiefenkarte“ berichtet: Er untersucht ausgiebig einen vergleichsweise winzigen Ausschnitt des Staates Kansas und stößt dabei unausweichlich fortwährend auf die Spuren der Kaw-Ureinwohner, die das Land auf ihre Weise besiedelten, bevor sie im 19. Jahrhundert von der US Armee vertrieben, ausgemerzt, liquidiert und durch europäische Farmer ersetzt wurden. Nachts hört er ein Klopfen, steht auf, öffnet die Tür und sieht sich drei völlig zerlumpten, bis aufs Skelett abgemagerten Gestalten gegenüber. Sie präsentieren, was von der einst stolzen Nation der Kaw übrig ist. Sie schauen ihn an. Der Wind weht. Es gibt nichts, was zu sagen wäre. Er weiss, dass er ihren Blick nicht vergessen wird.

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Für die Zeit sind wir erschreckend belanglos – vorausgesetzt, daß es die Zeit an sich, gleichsam verselbständigt, unabhängig von dem, der um sie weiß, überhaupt gibt. Denn die Zeit erwacht erst dann zum Leben, wenn es jemanden gibt, auf den sie ihre Macht ausüben kann. Sie tritt erst dann in Erscheinung, wenn es jemanden gibt, der in der Lage ist, das Vergehen als sein eigenes, persönliches Vergehen wahrzunehmen. Die Geburt der Zeit hat gerade das Wahrnehmen ihres Vergehens zur Voraussetzung. Dass sie lebt, beweist sie gerade dadurch, daß sie Leben beseitigt.

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Es gibt gewisse Situationen, in denen man sprichwörtlich zu einem Steinblock wird. Man lebt, bewegt sich, verrichtet seine Arbeit, die Außenwelt bemerkt nichts, doch im Innern ist man wie ein Steinblock: unansprechbar, unverrückbar. Andererseits ermöglicht ihm gerade dieser steinblockartige Zustand, die Welt ringsum zu durchschauen, ihre Flüchtigkeit, Beiläufigkeit, Vergänglichkeit zu erkennen, sich der Bedeutungslosigkeit bewusst zu werden und zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden.

In solchen Momenten hat man das Gefühl, dass man die Welt genau kennt und spürt – und doch ist sie einem gerade da fremder denn je. Sobald sich diese Fremdheit des Menschen bemächtigt, ist auch die Melancholie schon seiner Herr geworden. Sie kann überall auftauchen, ohne sich vorher anzukündigen. Sie erscheint wie ein Bote aus einer fremden Welt und verschwindet dann genauso unmotiviert. Aber solange sie da ist, gleicht sie alles sich selbst an. Sie entkleidet die Welt gleichsam ihres Selbst und stellt die Dinge in ein neues, bis dahin unbekanntes Licht etc.

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Da argumentiert man jahrelang gegen den Lärm, die Reizüberflutung und die kulturelle und gesundheitliche Schädlichkeit der Überallbeschallung und nichts geschieht. Alle finden sich ab, stöpseln sich ab, ziehen sich in ihr „privates Hören“ zurück, aber wehe eine App (heute ja die wesentlichste Bestätigung der eigenen Existenz überhaupt) bietet eine Option zur Stummschaltung.

Dann gehen alle auf die Barrikaden und wollen überzeugen wie nützlich der Lärm, die permanente Beschallung etc. sei.
Aber trotzdem gibt es immer mehr Möglichkeiten, abzuschalten! – Connie Müller-Gödecke bis 10.08.2019.

https://www.einschaltverweigerung.de/

Franz Kafka: Großer Lärm 1912

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Franz Werfel: Im allgemeinen merkt sich der Stadtmensch die Bäume nicht, die an seinen Wegen wachsen. Mir aber war`s, als erkannte ich sie alle, und sie alle erkannten mich. Mein Fuß ging auf einem schwingenden Bogen, so weich wie nirgends anders auf der Welt. Ein wollüstig gefederter Boden war`s, ein dürrer, duftender Sumpf, denn auf den entfernteren Pfaden und Labyrinthen des Parks blieb das Fall-Laub liegen und bildete Jahresschichten. Überall öffneten sich Durchblicke, Gänge, Stollen, ins malachitne Bergwerk gesprengt. Manchmal war`s wie ein langer Basar des Schweigens, in den das unbewegte Gezweig mit ausgestreckten Händen hineingriff und verschiedenfarbige Sorten von Stille feilbot. Immer wieder gelangte ich zu den beiden Weihern, zu diesen stehenden Wassern meiner ertrunkenen Kindheit, mit ihren giftigen Überzügen aus kupferigen Grünspan. In diesen Überzügen klafften jähe Löcher voll gurgelnden Schwarzwassers auf, in dem sich große Kaulquappen und winzige Fische tummelten wie verrückt.

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von Rainer Maria Rilke

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Am nächsten Morgen vor dem Frühstück ging Arthur Symons mit mir auf den Rasen hinaus, um ein Stück eines Gedichtes aufzusagen, des einzigen, das er jemals nach einem Traum aufgeschrieben hatte. Er hatte die Nacht davor von einer wunderschönen Frau geträumt, aber sie war bekleidet und hatte keinen Pfeil und Bogen. Als er nach London zurückkehrte, erwartete ihn eine Erzählung, die Fiona Mackert (?) an Savoy geschickt hatte und, wie ich glaube, die Bogenschützin hieß. Jemand in der Erzählung hatte die Vision von einer Frau, die einen Pfeil in den Himmel schoß, und dann von einem Pfeil, der einen Faun traf und seinen Leib durchbohrte, das Herz des Fauns herausrieß und mit dem haftenden Herzen in einem Baum steckenblieb.

Einige Wochen später war auch ich in London und begegnete unter Mathers Schülern einer Frau, deren kleines Kind – vielleicht zur gleichen Zeit wie meine Vision, vielleicht ein wenig später – aus dem Garten gelaufen kam und rief: „Mutter, ich habe eine Frau gesehen, die hat einen Pfeil in den Himmel geschossen, und ich habe Angst, dass sie den lieben Gott getötet hat!“

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William James: Der medizinische Materialismus scheint in der Tat eine gute Bezeichnung für die allzusehr auf Vereinfachung gerichtete Denkweise zu sein. Medizinischer Materialismus beschließt sein Paulusstudium mit der Feststellung, Paulus sei ein Epileptiker gewesen und seine Vision auf der Straße nach Damaskus die Entladung einer Beschädigung seines Sehzentrums. Er erledigt die hl. Theresa als Hysterikerin und den hl. Franziskus als erbmäßig degeneriert.

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BUCH DER FREUNDE LX

Wir dürfen uns angesichts des grauenhaften Geschehens, das sich heute weltweit vor unser aller Augen ereignet, nicht dazu hinreißen lassen, in Depression oder Verzweiflung zu verfallen. Damit stärken wir lediglich die Position der Niedergängler, die sich nur in der verzweifelten Atmosphäre erhalten können. Jedes Gran Verzweiflung oder Niedergeschlagenheit hilft den immer vorhandenen, negativen Mächten. Ihr Unvermögen, den Plan der geistigen Kräfte zu zerstören, treibt sie in die zerstörende Raserei. Aber das Stille ist stärker als das Laute oder Lärmende. Das Weiche, das Wasser ist – bereits Laotse hat es gewusst –  stärker als das Harte, der Stein. Der in sich Gesicherte ist stärker als der absichtsvoll eine materielle Sicherheit Suchende – selbst dann, wenn er von ihm, dem Sicherheit-Sucher getötet wird. Jede echte Stärke ist jedweder Form der Macht überlegen. Die offensichtliche Angst und Besorgtheit der anderen – zumeist artet sie in eine Flucht nach vorn aus, in den Fortschritt oder die Fortschrittsgläubigkeit – sind unsere Stärke. Wir aber sollten diese Angst nicht – wie sie es ihrerseits täten – „nutzen“. Doch sollten wir uns bewusst sein, oder uns doch wenigstens bewusst werden, dass, sagen wir: geistige Kräfte – vor allem jene durch Christus erstmals in der Menschheit erweckten Kräfte der Nächstenliebe, der Liebe – uns zu schützen versuchen.
Wir leben, wer wüsste es nicht, in entscheidenden Jahren. Das ist eine sachliche Feststellung. Uns steht eine Kraft zur Seite und wohnt in uns, die dem Niedergang, der verschlossenen „Innerheit der Welt“, gewachsen ist. Ich habe sie genannt, auf ihre Wirksamkeit hingewiesen. Es wäre wahrlich gut, wir beherzigten sie.

https://www.nootheater.de/menu.html

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