„Erlauben Sie mir nur vorerst eine Bemerkung zum „Spiegel im Spiegel“: An diesem Buch habe ich mehr als zehn Jahre gearbeitet, d.h. ich habe es v o r der „MOMO“ begonnen und n a c h der „Unendlichen Geschichte“ beendet und herausgegeben. Mit diesem Buch ist es mir gelungen, selbst gutwillige Leser und Kritiker gründlich zu verwirren. Man hatte sich so daran gewöhnt, vom Autor an der Hand genommen und durch die Geschichte geführt zu werden, natürlich mit der Gewissheit, daß alles gut ausgehen werde – daß man es als regelrechten Verrat von Seiten des Autors empfand, daß dieser plötzlich dem Leser zumutete, sich selbständig und ohne helfende Hinweis einen Weg durch das Spiegel-Labyrinth zu suchen. Und wozu überhaupt, da ja auch jede „Botschaft“ fehlt, an der man sich festklammern kann. Es gibt sogar Leute, die über der Lektüre dieses Buches regelrecht ihr bisschen Verstand verloren haben (obwohl ich annehme, daß dieser Verlust schon vorprogrammiert war und durch mein Buch nur ausgelöst wurde).
Der Titel „Spiegel im Spiegel“ bezieht sich auf mehreres. Einmal natürlich auf das bekannte Zen-Koan „Was zeigt ein Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt?„, das ja auch schon in der „Unendlichen Geschichte“ zitiert wird. Zum anderen auf den Bauplan des Buches. Jede Geschichte spiegelt sozusagen ein Element der vorausgehenden Geschichte und verwandelt es. Figuren und Bilder sind in einem ständigen Fluß der Veränderung. Vorher und Nachher sind bisweilen vertauscht: Der Einbeinige taucht schon anfangs auf, verliert aber erst in der Mitte des Buches sein Bein u.s.w. Man kann das Buch entweder von vorne nach hinten lesen oder von hinten nach vorn, also mit der letzten Geschichte beginnend, da es zyklisch aufgebaut ist und der Schluss sich wieder auf den Anfang bezieht. Manchmal gehen auch Spiegelreflexe quer durch das ganze Buch und nehmen Motive auf, die in viel späteren oder früheren Geschichten kommen. Die meisten Geschichten sind Szenen auf einem imaginären Theater. Ein merkwürdiger Vorgang wird kommentarlos geschildert. Anfang und Schluss sind jeweils offen. Ist der Vorgang zu Ende, verwandelt sich das Bild – oder ein Teil des Bildes – in ein neues Bild, in dem wieder etwas vorgeht. Das Ganze findet sozusagen in einem schwerelosen Raum statt, in dem es kein Oben und Unten gibt, in einem Orbit, der einen Kreis um etwas beschreibt, das selbst ausgespart wird“. – http://www.oobe.ch/
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