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Posts Tagged ‘Natur Lesen’

Irgendwann in der Mitte der Fünfzigerjahre – der Lehrstoff des Gymnasiums konnte meine Wissbegierde nicht stillen – fiel mir in der Hersfelder Stadtbücherei ein Exemplar von Eugen Kogons „Der SS-Staat“ in die Hände. Text und Fotos waren ein einziger Schock, und schockierend fand ich anfangs auch Kogons nüchtern-klare Berichterstattung: Wie konnte jemand dies ungeheuerliche Verbrechen, diese Mischung aus Böswilligkeit, Sadismus und Menschenschlachthaus schildern, ohne angesichts des totalen Abbruchs von allem, was Zivilisation heisst, zu verzweifeln? –

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Ich denke an eine Begegnung, von der William Least Heat-Moon in seiner „Tiefenkarte“ berichtet: Er untersucht ausgiebig einen vergleichsweise winzigen Ausschnitt des Staates Kansas und stößt dabei unausweichlich fortwährend auf die Spuren der Kaw-Ureinwohner, die das Land auf ihre Weise besiedelten, bevor sie im 19. Jahrhundert von der US Armee vertrieben, ausgemerzt, liquidiert und durch europäische Farmer ersetzt wurden. Nachts hört er ein Klopfen, steht auf, öffnet die Tür und sieht sich drei völlig zerlumpten, bis aufs Skelett abgemagerten Gestalten gegenüber. Sie präsentieren, was von der einst stolzen Nation der Kaw übrig ist. Sie schauen ihn an. Der Wind weht. Es gibt nichts, was zu sagen wäre. Er weiss, dass er ihren Blick nicht vergessen wird.

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„Wahrheit“, „Gerechtigkeit“, „Bitte um Vergebung“, „Vergebung“, „Reparationen“, „Begräbnis“: Das sind die sechs Schlagworte der Bedingungen, die nach Lewis Hyde (in seiner „Fibel des Vergessens“ 2019) erfüllt sein müssen, damit jene Art des Vergessens einsetzen kann, die – besser als die Erinnerung – dazu taugt, Traumata wie Bürgerkrieg und Massenmord zu bewältigen. (Womöglich ist das Wort „bewältigen“ zu unsensibel (vielleicht entstammt es einem allzu grobschlächtigen Wörterbuch); …

https://naturlesen.wordpress.com/2023/04/21/vergessen-iii/

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Die Rede ist (hier) von Nan Shepherds Büchlein „Der lebende Berg“, jener sprachlich gleichsam kondensierten Erfahrungsspur ihrer jahrelangen Wanderungen in den Bergen im Nordosten Schottlands, aufgeschrieben zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Einer der Prosatexte, in denen ich einzelne Passagen immer wieder aufsuche und mir selbst vorlese, als ob es Gedichte seien in einer Anthologie.

Nan Shepherd beschreibt, wie ihre Sinne die Welt der Berge registrieren, und wie sie dabei in eine andere, zugleich befremdliche und sublime Qualität der eigenen Seins-Erfahrung gerät. Dass sie dies in einer Sprache zu beschreiben vermag, die nicht in klischeehaftes Schwärmen und Hingerissen-Sein abgleitet, macht ihre Worte sozusagen extra vertrauenswürdig und stark.

https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/der-lebende-berg.html

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Das Licht von der Flamme einer Kerze fällt mit einem stillen Zauber auf die Dinge, die es erfasst und verwandelt. Ein Buch leuchtet in seinem Schein auf, um den Text hervorzuheben, und Kleiderstoffe wirken in seinem Widerschein warm und kostbar. Aber die stärksten und schönsten Wirkungen spiegeln sich auf der Haut der Frauen. Das Gesicht der kleinen Maria in George de la Tours Gemälde leuchtet weiss und makellos, und die Finger ihrer rechten Hand vor der Flamme sind von rötlichem Licht umhüllt. Der Halbschatten modelliert die Gesichtszüge ihrer Lehrerin zu einer eindrucksvollen Landschaft. Und alles, was hinter dem dramatisch beleuchteten Ausschnitt liegt, versinkt im Dunkel, als sei es nicht da…,..

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Von Natur Lesen / wordpress

Wer sich um ein Stück Acker kümmert oder um einen Garten oder um eine Buchhandlung, lebt länger. Die Wirkung der Gartenarbeit ist u.a. durch die Studie einer Population von sehr alten Menschen in einer ländlichen Gegend Apuliens belegt, die durch gehäufte Langlebigkeit statistisch auffällig wurde. Man untersuchte nicht (wie in der meisten derartiger Untersuchungen) die Genetik, sondern die mentale Gesundheit von 29 Persönlichkeiten, und fand als vorherrschende Züge ihre positive Lebenseinstellung und ihre Verbundenheit mit dem Land, das sie auch im hohen Alter zu bearbeiten fortfahren. „Das Land braucht mich“, sagten die meisten. Diese 90- bis 101jährigen verfügten, im Vergleich mit den 50- bis 70jährigen über ein höheres Mass an Selbstvertrauen und mehr Entscheidungsfreude. 

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Wie der Kuckuck, trägt der Gackelkuckuck in Japan den Namen, den er ruft: Das fünfsilbige „Hototogisu“ (Cuculus poliocephalus, „Gackelkuckuck“, „Kleiner Kuckuck“, „lesser cuckoo“) anstelle unseres zweisilbigen Kuckucksrufs. Sein endloses Klagen wird im japanischen und anscheinend vorher schon im chinesischen Kulturbereich als Ausdruck der Sehnsucht einsamer Herzen vernommen. Dem so genannten Volksglauben zufolge spuckt der Vogel, dessen beim Rufen weit aufgerissener Schnabel rot erscheint, dabei Blut. Nach 8008 Rufen, so heisst es, muss er sterben…,..

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Gackelkuckuck

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Edward Abbeys Buch über seine Zeit als Parkranger in der Felswüste von Moab, Utah, erschien im Jahr 1968. Einer der frühesten Texte über die Herrlichkeit dieser menschenfeindlich erscheinenden Landschaft, und einer der frühesten Aufrufe zum militanten Widerstand gegen Mächte der Veränderung. Vor allem gegen die Korporationen mit ihren Staudamm- und Hotelbau-Projekten. Abbey war sich der tragischen Ironie seines Buches bewusst, die darin lag, dass sein wunderbarer Text Ströme von Touristen zu den einsamen Felsbogen-Monumenten lenken würde. 

https://www.scissorspaperpen.org/museum-of-moab-in-utah-6559

https://www.wikiwand.com/de/Moab_(Utah)

Die Philosophie des Ortes

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Im letzten Kapitel ihres weltumspannenden Buches „Timefulness. How Thinking like a Geologist Can Help Save the World“ zitiert Marcia Bjornerud Gedanken und Vorschläge zur Überwindung der falschen Zeitvorstellungen, die uns in unserer Zeit – in der erdgeschichtlichen Phase des Anthropozän – beherrschen. Sie selbst folgt mit ihrem Buch der Idee, dass wir durch das Studium der Erdgeschichte Zeiträume betreten, die nur auf den ersten Blick scheinbar endlos sind.

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