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in: Vorwärts, 7.1., 8.4., 3.6., 24.6. 1900; 20.3.1904

Man kann unserer Zeit und unserem Deutschland jeden Vorwurf anheften, nur den einen nicht, daß man sich übermäßiger Gefühlsweichheit hingebe. Im Gegenteil: Die Anklage, wir seien ein Volk von Dichtern und Denkern, wird als die schwerste Beleidigung empfunden. Energie ist alles, und die Gewalt der stärkeren Muskeln – seien sie von Fleisch, Stahl oder Gold – regiert, den humanitätsduseligen Schlappiers zum Trotz. Wir achten nicht das Selbstbestimmungsrecht fremder Völker, sondern wir kultivieren sie mit Schnaps, Blei, Strick und Bibel. Wir vernichten unzähliges Leben, zertreten es in Not und Siechtum. Wir legen den freien Geist an die würgenden Ketten wirtschaftlicher Abhängigkeit. Wir beten zum Kleinkalibrigen und Panzerschiff und erstreben nur ein Ziel: so stark zu sein, um völlig rücksichtslos sein zu dürfen. Das tun wir alles und schämen uns nicht. Lachend schreiten wir über die Leiber und Seelen derer, die man im veralteten Deutsch der Heiligen Schrift Nächste nennt, während sie für die realpolitische Betrachtung Konkurrenten, Feinde sind.

Die Verletzung der Person, die Beeinträchtigung, Schädigung und Zerstörung fremden Daseins erscheint inmitten unseres Kulturlebens in mannigfachen Arten. Dabei ist das Maß der Schädlichkeit durchaus nicht das Maß der Beurteilung. Der im Krieg organisierte Massentotschlag erscheint wie ein furchtbares, unentrinnbares, in seiner erbarmungslosen Gewalttätigkeit zugleich heroisches Schicksal; und wenn die Kraft und Blüte eines Volks sinnlos geopfert wird – was gilts, die Geschichtsfabulisten weisen uns die historische Notwendigkeit des glorreichen Ereignisses nach (…).

Aus unzähligen Rinnsalen läßt der giftmischende Kapitalismus unablässig Tod und Siechtum in die Leiber der besitzlosen Arbeitssklaven strömen. Wir begnügen uns, bedauernd die Berufskrankheiten zu beschreiben, die frühes Sterben bewirken, und, an die grausige Erscheinung wie an ein Unvermeidliches gewohnt, werden wir uns kaum völlig bewußt, daß diese Massenvergiftung, die der Mehrheit der Menschen den größeren Teil des von der Natur gewährten Lebens widernatürlich raubt, das fluchtwürdigste Verbrechen ist. (1900) mlwerke.de

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in: Der Zukunftsstaat der Junker. Manteuffeleien gegen die Sozialdemokratie im preußischen Herrenhaus am 11. und 13. Mai 1904, Berlin 1904, S. 3-10

Der sozialdemokratische Dreimillionen-Sieg hat auf die herrschenden Klassen einen weit tieferen Eindruck gemacht, als sie äußerlich zugaben. Die unmittelbare Wirkung war der Zusammenschluß nach rechts.

Heimliche Intrigen und dann auch öffentliche Angriffe richteten sich zunächst gegen das Reichstagswahlrecht. Die unterirdischen, weit verzweigten Verschwörungen gegen das Wahlrecht wurden aufgedeckt, auch nationalliberale Abgeordnete wurden als Mitschuldige entlarvt. Bald zeigten sämtliche Parteien ihren Haß gegen das Wahlrecht. Im preußischen Abgeordnetenhaus verstanden sich die Freisinnigen zu einem Reformantrag, dessen Endergebnis noch eine Verschlechterung des Dreiklassensystems zuungunsten des in Preußen parlamentarisch rechtlosen Proletariats sein muß. Der Führer des Zentrums, das seine Zuverlässigkeit in der Wahlrechtsfrage immer beteuert, Herr Dr. Bachern, sprach am 23. Januar 1904 im preußischen Abgeordnetenhaus gegen die Demokratisierung des preußischen Wahlrechts, »weil doch das bestehende Reichstagswahlrecht auch als das reine Ideal nicht anerkannt werden kann, und es doch, wie es sich gezeigt hat. Mißstände mit sich bringen kann. Mißbräuchen einen gewissen Raum bringt«. Der nationalliberale Abgeordnete Menk blies das große Wecken gegen das Wahlrecht des Umsturzes. Von der Partei gerüffelt, erklärte er keck, wie er dächten alle, sie seien nur zu feige dazu, es öffentlich zu sagen. Um den Schein zu wahren, schloß man ihn aus der Fraktion aus – eine doppelte Bestätigung für Herrn Menk, eine Bekräftigung nationalliberaler Feigheit und nationalliberaler Herzenswünsche.

Daneben wiesen andere Erscheinungen den Weg. Die Arbeitgeber schlössen sich zu Trutzbünden zusammen. Im Reichstag fanden sich die bürgerlichen Parteien bei jedem unmöglichen Anlaß gegen die Sozialdemokratie in Ausbrüchen dummen und fanatischen Hasses. Während sozialdemokratische Mandate unsinnigerweise für ungültig erklärt wurden, weil gegen unsere Partei Wahlbeeinflussung getrieben wurde, bestätigte man das Mandat eines Herbert Bismarck, der es lediglich durch gröbste Ungesetzlichkeiten gewann.- mlwerke.de

 

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Geschrieben von Dezember 1851 bis März 1852. Zuerst erschienen im Mai 1852 im ersten Heft der Zeitschrift „Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften“ von Joseph Weydemeyer. 2. überarbeitete Auflage 1869 in Hamburg. 3. Auflage unter der Redaktion von Engels 1855.- mlwerke.de

<358> Mein zu früh verstorbener Freund Joseph Weydemeyer beabsichtigte vom 1. Januar 1852 an eine politische Wochenschrift in New York herauszugeben. Er forderte mich auf, für dieselbe die Geschichte des coup d’état zu liefern. Ich schrieb ihm daher wöchentlich bis Mitte Februar Artikel unter dem Titel: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“. Unterdes war Weydemeyers ursprünglicher Plan gescheitert. Dagegen veröffentlichte er im Frühling 1852 eine Monatsschrift: „Die Revolution“, deren erstes Heft aus meinem „Achtzehnten Brumaire“ besteht. Einige hundert Exemplare davon fanden damals den Weg nach Deutschland, ohne jedoch in den eigentlichen Buchhandel zu kommen. Ein äußerst radikal tuender deutscher Buchhändler, dem ich den Vertrieb anbot, antwortete mit wahrhaft sittlichem Entsetzen über solch „zeitwidrige Zumutung“.- Aus dem Vorwort zur Zweiten Ausgabe (1869).

 

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