Die Menschenwelt ist heute in zwei Lager aufgespalten, von denen jedes das andere als die leibhafte Falschheit und sich selber als die leibhafte Wahrheit versteht. Während des ersten Weltkrieges ist mir offenbar geworden, dass sich ein Prozess vollzieht, den ich bis dahin nur geahnt hatte: Die zunehmende Erschwerung des echten Gesprächs, und ganz besonders des echten Gesprächs zwischen Menschen verschiedener Art und Gesinnung. Der unmittelbare, rückhaltlose Dialog wird immer schwerer und seltener, immer unbarmherziger drohen die Abgründe zwischen Mensch und Mensch unüberbrückbar zu werden. Dies, so ging mir damals auf, ist die eigentliche Schicksalsfrage der Menschheit.
Seither habe ich unablässig darauf hingewiesen, dass die Zukunft des Menschen als Mensch von einer Wiedergeburt des Dialogs abhängt. Es gilt, das massive Misstrauen in andern zu überwinden, aber auch das in uns selbst.
Ich meine damit nicht das angestammte Urmisstrauen, etwa das gegen den Artfremden, den Unsteten, den Traditionslosen, das Misstrauen des Bauern im abgelegenen Gehöft gegen den plötzlich vor ihm auftauchenden Landstreicher.
Ich meine das universale Misstrauen unseres Zeitalters. Nichts steht dem Aufstieg einer Kultur des Dialogs so sehr im Wege wie die dämonische Macht, die unsere Welt regiert, die Dämonie des grundsätzlichen Misstrauens.
Entnommen aus:: Werkausgabe „Schriften zur Psychologie und Psychotherapie“
Zettel 1363 – Martin Buber: Der unmittelbare, rückhaltlose Dialog!
19. Februar 2021 von ralphbutler
6 Antworten
Offenbar war der echte Dialog immer etwas, wozu die Menschen wenig Neigung haben. Und warum? Weil sie dann ihren Ich-Standpunkt vorübergehend auer Kraft setzen und die Welt vom Standtpunkt des anderen betrachten müssten. Das gilt im Großen wie auf der Ebene der Individuen. Heute steuern wir wieder auf einen Großkonklikt zu, und wer die andere Seite gelten lässt (Putin-Versteher), gilt schon fast als Verräter Und das „ist die eigentliche Schicksalsfrage der Menschheit“.
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Hier, vorweg, der Rest des Zitats von Martin Buber:
Seither habe ich unablässig darauf hingewiesen, dass die Zukunft des Menschen als Mensch von einer Wiedergeburt des Dialogs abhängt. Es gilt, das massive Misstrauen in andern zu überwinden, aber auch das in uns selbst.
Ich meine damit nicht das angestammte Urmisstrauen, etwa das gegen den Artfremden, den Unsteten, den Traditionslosen, das Misstrauen des Bauern im abgelegenen Gehöft gegen den plötzlich vor ihm auftauchenden Landstreicher.
Ich meine das universale Misstrauen unseres Zeitalters. Nichts steht dem Aufstieg einer Kultur des Dialogs so sehr im Wege wie die dämonische Macht, die unsere Welt regiert, die Dämonie des grundsätzlichen Misstrauens.
Gemerkt habe ich mir Bubers Satz: Du sagend werde ich erst Ich! Mir fällt ein, als Freund des ZEN, dass die Verneigung und gleichzeitig die Hände zusammenfalten vor dem anderen, das Gassho, bedeutet:
Sich gegenseitig vor dem anderen zunichte zu machen, das Ego brechend in die Tiefe einzutauchen, wo es weder Ich noch Du gibt.
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Ich seufze, so wie damals geht es heute.
Danke dir.
Herzliche Grüße, Ulli
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Ein schönes Wochenende wünsche ich Dir, Ulli
Und herzliche Grüße!
Dein Seufzen bezieht sich sich auf Deine Nachbarn? Da komme ich nicht ganz mit.
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Nein, mit der Menschheit an sich.
Liebe Grüße an dich, Ulli
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Es gibt Wellen. Manchmal gibt es Zeiten, da reden die Menschen miteinander. Jetzt höre ich Robin, das Rotkehlchen. Es plaudert mit Robin, einem anderen Rotkehlchen.
Liebe Grüße und eine schöne Woche! Ralph
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