Ö1 – Sonntag, 13. Okt 2019, 20:15 Uhr – Janko Hanushevsky
Seit es uns gibt, erzählen wir einander Geschichten. In der Antike wurden Geschichten wahrscheinlich gesungen. Die Melodien sind verschwunden, doch die Abenteuer des Odysseus, die Heldentaten des Achilles ziehen uns noch heute in ihren Bann. Als junger Mann erzählte Michael Köhlmeier Mythen und Sagen live und frei im Radio und wurde damit sehr bekannt. Heute ist der Österreicher Bestsellerautor. In seinen Novellen und Romanen geht es um ein unbegleitetes Flüchtlingsmädchen, den Heiligen Antonius, der sterbend über das Leben nachdenkt. In ,Abendland’ zeichnet Köhlmeier eine Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, verarbeitet schreibend den Tod seiner Tochter. Wie setzen Geschichten uns in Beziehung zur Welt? Können wir jemals anders, als aus der eigenen Perspektive eine Geschichte erzählen? Und was passiert, wenn wir einer Geschichte lauschen, uns Kraft der Fantasie in einen anderen hineinversetzen? Köhlmeier erzählt dem Autor eine Geschichte. Seine Geschichte. (Hördat)
Ein Thema, das mich gerade wieder sehr beschäftigt. Wir bestehen aus Geschichten, sie machen uns aus. Ich, bestehend aus Geschichten, davon bin ich überzeugt, stehe nicht isoliert und klar abgegrenzt da. Die Geschichten, die mich ausmachen, die erzählten und die nichterzählten sind Teil eines Netzwerkes, das viel größer ist als ich selbst.
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Hallo, den zweiten Satz verstehe ich nicht. Aber den ersten und den dritten Satz. Ich poste seit einer Weile „Geschichten aus der Geschichte“ vom Zeitsprung, das kann ich empfehlen. Ansonsten, erster Satz, würde ich schreiben, wenn man mich fragte: wir bestehen aus Erinnerungen. Beispiel.
Vor einer Weile habe ich eine Serie von Peter Nadas gepostet über das, was er im Augenblick seines eigenen Todes sah:
Mit dem Fühlen, Riechen und Schmecken, dem ganzen großen sinnlichen Theater war es vorbei. Was aber nicht bedeutete, dass meine Gefühle inhaltsleer geworden wären. Ich sah. Ich erinnerte mich. Das von der körperlichen Empfindung gelöste Bewusstsein nimmt als seinen letzten Gegenstand den Mechanismus des Denkens war.
Anscheinend hatte ich mit dem Mechanismus des eigenen Denkens ein Leben lang ins Nichts hinaus gestarrt, das Allgefühl jedoch niemals richtig zur Kenntnis genommen. Mein Sehen kannte keine zeitlichen oder räumlichen Grenzen mehr. Die Einzelheiten meines Lebens standen nicht mit der Geschichte meines eigenen Lebens in Zusammenhang. Eine solche Geschichte gibt es und gab es nämlich nicht. Was mich unendlich überraschte.
Also deswegen habe ich so krampfhaft nach der Position der Einzelheiten in der ganzen Geschichte gesucht, sagte ich mir. Sie sind nicht an den Raum, nicht an die Zeit geknüpft, wo ich sie vermutet habe. Das Leben des Einzelnen beginnt tatsächlich nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod, wie soll es da ein aus Einzelheiten aufgebautes Ganzes sein. Jetzt verlasse ich den chaotischen Schauplatz der Einzelheiten…
Den dritten Satz unterstreiche ich.
Viele Grüße
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