Als ich in der deutschen Sprache ankam
Die iranische Schriftstellerin Ayeda Alavie kam nicht nur an einen anderen Ort, sie kam auch in einer neuen Sprache an. Ein Feature über die Gefühlswelt des Ankommens, über Erinnerung, Heimweh und Heimat.
Zimt
Leise schneit es. Am Anfang ist alles weiß. Wie ein weißes Blatt. Dann wird allmählich alles matschig. Zerknittert durch die liederlichen Schritte. Es ist Februar. Gerade vorhin habe ich mein Studium beendet. Mit einer Eins in Linguistik. In der mündlichen Prüfung. Dabei ging es um die Bedeutung der Bedeutung und um die Unbestimmtheit der Übersetzung. Ich rede mit niemandem mehr in meiner Muttersprache. „Zum Schluss wirst Du Deine Muttersprache vergessen, ohne ein gescheites Deutsch gelernt zu haben“, sagt meine Kommilitonin. Ihre ironische Bemerkung hat etwas Wahres in sich, denke ich schweigend, während ich versuche, das, was sie gerade auf Deutsch sagte, in meine Muttersprache zu übersetzen. Ich übersetze alles. Nicht nur Worte. Auch Gegenstände. Ich suche überall nach etwas, das Heimat in sich trägt. Etwas Vergleichbares. Übersetzbares. Oder etwas Universelles wie Zimt. – Bayern 2