Andrea de Carlo beschreibt in seinem Roman “Vögel in Käfigen und Volieren” die modernen Seelenwohnungen. Diese Beschreibung läßt sich in jeder Hinsicht auf die “Seelenwohnungen” heutiger Menschen übertragen, die sich von ihrer Umwelt isolieren. De Carlo läßt die Freundin des Ich-Erzählers sagen: “Weißt du eigentlich, dass diese Wohnungen richtige Energiekäfige sind? Ja, Käfige, überall und rundum isoliert, oben und unten und an den Seiten, und die ganze Energie, die du freisetzt, staut sich, weil sie nicht heraus kann, und schlägt auf dich zurück und am Ende wirst du ganz krank oder verrückt oder jedenfalls so gespannt und nervös, dass du mit keinem mehr kommunizieren kannst”.
Der Grund für unsere Energiekäfige ist die Angst vor dem Nichts im gegenwärtigen Augenblick. Sie bildet die tiefste Dimension aller seelischen und vieler körperlichen Krankheiten. Sie ist Thanatophobie, eine dauernde und zwanghafte Todesangst, die als solche oft unbewußt ist, die Angst, unsere Käfige zu sprengen, also zu Leben. Die Todesvergessenheit führt zur Todesverfallenheit. Um das Sterben stillschweigen zu können, bringen wir uns um das Leben. Denn intensiv Leben bedeutet immer auch weitergehen, Abschied nehmen, loslassen, sterben. Leben ist Verzicht auf die trügerische Geborgenheit in Energiekäfigen und Einstimmung in den fließenden Moment. – Das Eigenste, nämlich die Freiheit, ist uns zum Fremdsten geworden, daher meiden wir es. Wir wählen die Lethargie im Gefängnis anstelle der lebensgefährlichen Welt. Energiekäfige statt offene kommunizierende Systeme, in denen die Lebensenergie ungezwungen fluktuieren und erstarken könnte. Lieber speichern wir unsere Energie für bessere Tage, die aber hoffentlich nicht kommen, denn das wäre gefährlich. Lieber sitzen wir unser Leben ab, als es im Gehen Schritt für Schritt zu verlieren. Wir vergessen, dass der sein Leben verliert, der es bloß zu bewahren sucht… (Peter Schellenbaum) – http://www.leib-psychotherapie.ch/
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